RAHMENVISIONEN

Kanada 2015, Tag 3: Wir werden mobil

Der größte Teil des heutige Tages sollte natürlich ganz im Zeichen der Wohnmobilübernahme stehen. Die Nacht war erwartungsgemäß wieder früh zu Ende. So schnell wollte sich der Körper einfach nicht umstellen. Das Frühstück für alle Teilnehmer mit großen Mobilen (so wie wir eins gebucht hatten) war für 8 Uhr angesetzt, um 9h sollten wir abgeholt und zum Wohnmobilvermieter CanaDream gebracht werden. Teilnehmer mit kleinere Mobilen wurden vorgezogen, für sie war Frühstück bereits um 7h und Abholung um 8h. Wir widersetzten uns eiskalt dieser Planung und saßen bereits um kurz nach 7h am Frühstückstisch. Natürlich war das kein Problem. Es trieb nur einem im Raum den Schweiß auf die Stirn: dem Kellner, der für den Kaffeenachschub sorgen musste. Denn so gut wie die gesamte Gruppe flutete bereits so früh den Frühstücksraum und war natürlich auch heiß auf das morgendliche Lieblingsgetränk.
Bis zu unserer Abholung hatten wir also entsprechend viel Zeit für ein ausgedehntes Frühstück. Wir saßen mit unserem Guide Andreas an einem Tisch, der, wie gestern zufällig jemand herausgefunden hatten, heute Geburtstag hatte. Wir ließen ihn aber in dem Glauben von diesem Ereignis nichts zu wissen, da wir ihn später gemeinsam überraschen wollten. Ein paar Auserkorene der Gruppe hatten gestern in Vancouver bereits ein paar Kleinigkeiten für ihn besorgt. Wir sind z.B. für eine „Geburtstagstorte“ zuständig gewesen.  Wir redeten mit Andreas noch ein wenig über die Planung des heutigen Tages und stellten als Kanada- und Campinganfänger, die wir ja waren, noch ein paar dumme Fragen. Wenig später lichtete sich der Raum etwas, da die meisten Teilnehmer der Gruppe angehörten, die um 8h vor dem Hotel mit Sack & Pack abgeholt wurden. Andreas war dementsprechend dann auch schnell verschwunden und wir machten uns kurz darauf auf den Weg ins Zimmer, um unsere Koffer nochmal ordentlich zu packen.

Pünktlich um 9h wurden wir von einem Shuttlebus mit den anderen Verbliebenen vor’m Hotel abgeholt und zu CanaDream gebracht. Die Fahrt dauerte ca. 20 Minuten und wurde mit viel SmallTalk entsprechend kurzweilig. Wir hatten für heute erneut T-Shirt-Wetter gebucht, was die ganze Prozedur der Wohnmobileinweisung und -übergabe entsprechend entspannt werden ließ. Nachdem der Anmelde- und Papierkram in einer guten halben Stunde erledigt war, konnten wir uns einen ersten äußeren Eindruck von unserer mobilen Behausung für die nächsten 2 Wochen machen, ehe eine Mitarbeiterin von CanaDream mit den Schlüsseln vorbei kam und uns die notwendige Einweisung in die Handhabung dieses Gefährts gab. Neben ein paar Punkten, was die innere und äußere Sicherheit betraf, musste man natürlich vor allem wissen, wie das alles mit Strom, Gas und Wasser funktionierte. Alles kein Hexenwerk, wurde uns versichert. Im Nachgang können wir bestätigen: Recht hat se!
Ca. 30 Minuten später war die Einweisung erledigt, der Schlüssel in unseren Händen und die Spannung kurz vor’m Anschlag. Aber jetzt hieß es erstmal: Koffer auspacken und Klamotten verstauen. Der Ablauf war für uns jetzt nicht viel anders als bei Ankunft in einem dänischen Ferienhaus und so ging das Prozedere recht routiniert vonstatten, nur eben auf viel engerem Raum. Zwischendurch musste bei dem ein oder anderen Mobil noch etwas nachgeputzt oder repariert werden. Auch bei uns schwebte noch einmal die 1-Frau-Putzkolonne durch, um restliche Flecken des Vormieters zu beseitigen und ein eifriger Techniker wechselte schnell noch den WC-Deckel aus, da dieser bereits abzubrechen drohte. Die Betreuung vor Ort von CanaDream war top. In der übrigen Zeit gab es natürlich regen Austausch mit anderen Teilnehmern und alles wuselte halt „schwer beschäftigt“ durch die Gegend. Andreas schob dann irgendwann eine große Box vor sich her und dackelte von Camper zu Camper, um bei Bedarf zusätzliche Kissen und Decken zu verteilen. Im Sinne von „Haben ist besser als benötigen.“ griffen wir zu und waren dann auch ausstattungstechnisch komplett. Wir waren startklar.

Bevor es dann entgültig losgehen sollte, versammelte Andreas nochmal alle seine Schäfchen um sich, damit er letzte Instruktionen erteilen konnte. Für uns war diese Gelegenheit günstig, um so schön beisammen endlich das nachzuholen, was sich am Morgen noch alle künstlich verkneifen mussten: „Happy Birthday to you! Happy Brithday to you!“ schallte aus 20 Kehlen über den CanaDream-Parkplatz. Andreas war sichtlich überrascht und freute sich über unser Ständchen und die kleinen Präsente. Wenig später erklärte er die anstehenden 40km vom CanaDream-Parkplatz nach Langley, wo wir beim örtlichen Safeway-Supermarkt die notwendigen ersten Einkäufe erledigen wollten. Dank seiner tollen Vorbereitung konnte jeder bereits seit dem Kennenlernseminar vor 5 Wochen in Kassel ein ausführliches Roadbook sein Eigen nennen und es nun auch praktisch zum Einsatz bringen. Alles war detailiert beschrieben. Im übrigen musste ja eh niemand alleine fahren, da wir einen großen Konvoi bilden würden. Damit dieser auch immer schön zusammen bleibt und Andreas auch vorne mitbekommt, falls es hinten mal zwickt, erhielt jedes Campmobil ein Funkgerät. So konnte er auch unterwegs Anweisungen und Infos über den Äther jagen. Auch hierzu gab es eine kurze Einführung. Dann legte Andreas noch schnell fest, dass nach ihm und seinem Truck die Reihenfolge der Fahrzeuge im Prinzip egal war, nur mich bzw. uns wollte er gerne als letzten Wagen haben. Wir erschienen ihm ausreichend motiviert und ich mit den notwendigen Englischkenntnissen ausgestattet, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Wir nahmen die Wahl an.

Abfahrt! Es ging los… Um 13:30h setzte sich die Kolonne auf dem CanaDream-Gelände in Bewegung. Andreas vorneweg und alle wie die Lemminge in ihren riesen Campmobilen hinterher. Die ersten Kilometer waren natürlich besonders spannend. Wie fährt sich das Monstrum? Schaffen wir es gemeinsam über die nächste Ampel? Bleiben alle zusammen?
Die ein oder andere Ampel versuchte unseren Konvoi zu teilen. Aber dank Funkverbindung war die Info schnell von hinten nach vorne durchgegeben und die Spitze reduzierte die Geschwindigkeit bis alle wieder aufgeschlossen hatten. Das funktionierte vom Start weg überraschend gut. Die Fahrt nach Langley dauerte exakt 1 Stunde. Dann hatte unser Blech-Rudel komplett auf dem Parkplatz vor dem „Safeway“ unter Einweisungen von Andreas eingeparkt. 1. Etappe geschafft.

Die Gruppe ströhmte in den Supermarkt auf der Jagd nach Lebenmitteln & Co. für die nächsten 8-10 Tage. Wow, welch riesige aufgeräumte Auswahl. Es gibt nichts was es hier nicht gibt. Wir bahnten unseren Weg von der Gemüseabteilung, über Haushaltswaren, Fleischtheke, und Süßigkeitenecke bis in den letzten Gang zum „Wabbelbrot“. Vollkornbrot kennt der Kanadier nicht. Es gibt Weißbrot und als Körnerbrot verkleidetes Weißbrot. Aber dafür gefühlte 1.000 Sorten. Die doppelte Qual der Qahl, wenn man eigentlich etwas vollwertigeres sucht.
Die erste Runde durch den Markt dauerte ca. 45 Minuten, bis wir alles soweit von unserem Einkaufszettel meinten im Wagen zu haben. Der im übrigen auch zwischendurch mal minutenlang verschwunden war. Aber nicht weil wir nicht mehr wussten, wo wir ihn geparkt hatten, sondern weil ein anderes Pärchen aus unserer Gruppe ihn kurzerhand unwissentlich adoptiert hatte und damit durch die Gänge zog. Wir bekamen unser Findelkind aber wieder und standen dann nach ca. 1 Stunde das erste Mal an der Kasse. Der Wagen war voll bis unter’s Dach und das Warenband zu kurz, um alles gleichzeitig dort abzulegen. Da Service in Kanada groß geschrieben wird, übernimmt die Kassiererin persönlich das Einüten der Waren. Wir mussten dann nur noch zusehen, die bauchigen und dünnwandigen Plastiktüten unfallfrei in unserem Wagen zu deponieren. Zwischendurch kam uns der Gedanke an Crush-Eis (für abendliche Ramazzotti-Gelage). Vergessen! OK, eins nach dem anderen. Der Laden läuft ja nicht weg.

Um 300 Kanadische Dollar ärmer stiefelten wir aus dem Laden und ab mit der Beute zurück zum Wohnmobil. Dort verstauten wir alles in den Ablagefächern, im Kühl- und Gefrierschrank sowie in den Staufächern außen im Mobil. Wir konnten sehen, dass wir doch recht zügig beim Shopping durchgekommen waren, da nur wenige an ihren Mobilen gesichtet werden konnten. Aber wir mussten ja eh nochmal los. Also wieder rein und direkt zum Crush-Eis durchgestartet. Die großen Beutel liegen haufenweise in der Kühltheke. Ab zur Kasse. Verdammt! Die Grillanzünder. Argh! Andreas stand an der Kasse neben uns. „Ey, Chef, wo gibt’s die Grillanzünder?“. Andreas kommt aus dem ruhrgebietsnahen Wuppertal und kommt mit dieser direkten Art zurecht. Gut, wenn man zu zweit unterwegs ist, dann kann einer die Stellung an der Kasse halten und der andere flink nach den obsolten Waren hechten. Dank den klaren Instruktionen war der Anzünder dann auch schnell gefunden. Wieder zurück am Camper, wieder alles verstaut. Ende Runde 2.
Dann war es da. Das Hungergefühl. Die anderen waren inzwischen schwer mit Einräumen beschäftigt, also gönnten wir uns erneut den Weg zurück, wählten einen kleinen Sandwich-Snack und ne Coke. Wir machten es uns dann in der Kabine unseres Campers gemütlich und warteten auf die Dinge die da kommen. Besser mit vollem als mit leerem Magen.

Bis alle ihren Kram eingekauft und verstaut hatten vergingen insgesamt knapp 2 Stunden. Dann kurze Lagebesprechung und Abfahrt nach Hope. Neben all den Lebensmitteln und sonstigem brauchbaren und unbrauchbaren Gedöns gibt es eins nicht in den hiesigen Supermärkten: Alkohol. In besagtem Hope, dass auf unserer Route Richtung erstem Campground bei Lac Le Jeune liegt, sollte es einen gut sortieren Liqour Shop geben und gleichzeitig auch eine Tankstelle. Denn was wir erst lernen mussten, die Camper sind bei der Übernahme nicht zwingend vollgetankt. Einige hatten den Tank nur zu ca. 1/4 voll. Also war baldiges Auftanken Pflicht. Der Tross brach auf und schlengelte sich aus Langley raus Richtung Highway 1. Dann passierte es: Der Konvoi wurde durch rote Ampeln getrennt. Über Funk gab Andreas durch, an der nächsten Kreuzung Richtung Hope abzubiegen. Ein Wagen hatte dieses Kommando wohl nicht richtig verstanden, fuhr stattdesen geradeaus und ein zweiter noch hinterher. Also hieß es „Vorne halt!“ und rechts ranfahren. Gott sei Dank brach der Funkkontakt nicht ab, so dass nach wenigen Minuten die verloreren Schafe wieder auf dem richtigen Kurs waren. Nach kurzer Zeit auf dem Highway kam auch immer mehr Landschaft zum Vorschein. Zumindest das, was nicht vom Dunst überzogen war. Leider sorgten Waldbrände in der umliegenden Region dafür, dass die Sicht immer leicht vernebelt war. Eine gute Stunde später verließen wir den Highway und bogen nach Hope ab. Zusammen mit unserem Vordermann mussten wir noch an einer Ampel warten während der Rest bereits das Ortseingangsschild passierte. Über den Funk hörten wir Andreas‘ Anweisungen an die Gruppe und bekamen so noch mit „…an der She..-Tankstelle… rechts.“. Gesagt getan, die Kreuzung kam, Shell-Tankstelle, rechts. Wenige Meter später gab’s links den Liqour Store. Schön und gut, aber wo waren die anderen? Weit und breit war nichts vom Rest der Truppe zu sehen. Wie sich nach fragendem Funkkontakt herausstellte war die angesprochene Shell-Tankstelle eigentlich eine Chevron-Tankstelle, aber bei schlechter Funkverbindung hören die Ohren manchmal eben das, was ihnen am meisten bekannt vorkommt. Und wie es der Zufall wollte, gab es an der ersten Kreuzung eben eine Shell-Tankstelle. Wenig später fanden dann auch die letzten beiden Fahrzeuge ihren Parkplatz vor dem richtigen Liqour Store. Bier und Wein – das lass sein. So kauften wir Bier und Bacardi, um für die Abende gerüstet zu sein. In beidem müssen wohl goldene Schwebeteilchen enthalten sein. Anders konnten wir uns den Preis nicht erklären. Egal, Urlaub.

Andreas hatte schon nach unserem Monster-Einkauf in Langley leichte Bedenken, ob die restliche Zeit des Tages reichen würde, um noch vor Einbruch der Dunkelheit am Lac Le Jeune zu sein. Den Campground erst im Dunkeln zu erreichen war allgemein und für eine große Gruppe Wohnmobilanfänger im speziellen keine gute Idee. So überlegte er kurzerhand, dass es eigentlich besser und vor allem sicherer wäre, die heutige Nacht hier in Hope zu verbringen und dann morgen früh weiterzufahren. Während er sein Tablet zwecks alternativer Campingplätze vor Ort zu Rate zog und einige noch im Store verweilten , machten wir uns zusammen mit 3-4 anderen Wagen auf den Weg zur Tankstelle um die Ecke. Einmal Volltanken, bitte. Zwischenzeitlich hatte Andreas seine Entscheidung pro Hope gefällt und per Funk verbreitet. Bereits wenige Minuten später bog der gesamte Konvoi auf dem „Telte-Yet Campground“ ein. Andreas manövrierte mit Funkanweisungen jeden einzelnen Wagen in die richtige Position. Der Campingplatz war klein aber nicht voll, so dass unserer Gruppe ein großer Freibereich zugewiesen wurde auf dem wir alle mehr oder weniger zusammenstehen konnten. Da standen wir also… auf unserem ersten Campingplatz in Kanada bzw. auf dem ersten Campingplatz unseres Lebens. Nach einer kurzen unbürokratischen Anmeldung kümmerten wir uns direkt mal um’s Essen. Wohnmobilfahren macht hungrig. Schnell waren 3 große Holztische im Areal zusammengetragen und so konnten fast alle abends beim Schlummertrunk zusammensitzen. Unser Guide hat ein Faible für Ramazzotti auf Eis und Zitrone. Der Duty Free Shop im Flughafen Frankfurt dürfte das Regal inzwischen wieder aufgefüllt haben nachdem unsere Gruppe vor dem Abflug durchgerauscht war. So kamen heute Abend die ersten Flaschen auf den Tisch. Wir hielten uns lieber an Bier und Bacardi/Cola bevor ziemlich schnell eine ordentliche Bettschwere einsetzte. Unsere erste Nacht im Camper stand an. Schon morgen früh würden wir wissen, wie sie war. Gute Nacht, Hope!

CanaDream Fuhrpark

CanaDream Fuhrpark

Unsere 18qm auf 4 Rädern

Unsere 18qm auf 4 Rädern

Das Camper-Cockpit

Das Camper-Cockpit

Kolonne an der Ampel

Kolonne an der Ampel

Frisches Obst und Gemüse

Frisches Obst und Gemüse

In Reihe parken leicht gemacht

In Reihe parken leicht gemacht

Office vom Telte-Yet Campground

Office vom Telte-Yet Campground

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